Begegnung der Völker, Kulturen und Religionen

Interreligiöser Dialog bei Franz von Assisi

[Grundsätzliches] [Dialog zwischen den Religionen] [Vielfalt der Religionen]
[Dialog und Frieden] [Franziskanische Aspekte des Dialogs]
[www-Links - Literatur]


Die gegenwärtige Situation unserer Welt wird zu einer Herausforderung an unsere Christlichkeit. Wir können uns die Not und das Elend der übrigen Welt nicht vom Halse halten, wir können nicht so tun, als lebten wir in unserem Land auf einer Insel der Sicherheit und des Wohlstands. In Wirklichkeit rücken uns mit den Flüchtlingen, Asylsuchenden und Zuwanderern zugleich die Ursachen ihrer Flucht auf den Leib: Menschenrechtsverletzungen, Verfolgung und Benachteiligung, Ungerechtigkeit, Armut und Krieg. Wir erfahren unmittelbar, was alles in unserer Welt los ist.
Die Fremden und Flüchtlinge lehren uns aber auch, dass wir alle in einem Boot sitzen. Unsere nationalen Interessen lassen sich nur noch mit, nicht gegen die Interessen der Länder der Dritten Welt wahren und fördern. Je mehr wir dazu beitragen, die Ursachen der Flüchtlingsströme dort zu bekämpfen, desto weniger Flüchtlinge wird es auf Dauer geben. Entweder werden wir eine Menschheitsfamilie, oder der nationalistische Eigennutz treibt uns in den Abgrund; entweder gibt es eine Welt-Innenpolitik, oder es kommt immer mehr zum angsthaften Kampf aller gegen alle. Wenn wir heute nicht bereit sind zu teilen, werden die Armen sich morgen holen, was sie brauchen.

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Franz von Assisi

Die Ankunft der notleidenden und hilfesuchenden Fremden hierzulande sollten wir als Zeichen der Zeit begreifen. Sie könnte ein ebenso schmerzhafter wie letztlich heilbringender Anstoß werden auf dem Weg zu einer einigen Welt für alle Menschen.

Dezember 2011:
Christenverfolgung. Die Lage der Christen hat sich dramatisch verschlechtert.

Der Weltverfolgungsindex 2012 macht in erschütternder Weise deutlich in wie vielen Ländern Christen wegen ihrer Religionszugehörigket verfolgt, diskriminiert, gefoltert und ermordet werden.
Etwa alle 3 Minuten wird ein Christ wegen seines Glaubens getötet.



Siehe auch:
diepresse.com, Christenverfolgung, 5. Dezember 2011

Dialog zwischen den Religionen

Es war am 24. Januar 2002: der Papst fährt mit 240 Vertretern von zwölf Weltreligionen im Zug von Rom nach Assisi: Buddhisten, Hindus, eine Voodoo-Priesterin, Moslems, Shintoisten, Sikhs, Katholiken, Protestanten, afrikanische Naturreligionen, Juden. Obwohl sie noch immer in verschiedenen Abteilen saßen, bewegten sie sich doch alle in dieselbe Richtung: zum heiligen Franziskus von Assisi (1181-1226), der für den Frieden mit der Natur, für Gerechtigkeit, für Solidarität, für Gewaltlosigkeit und für den Dialog steht. Alle Religionschefs waren sich einig: "Niemand darf im Namen Gottes morden." Der Papst hatte seit dem 11. September nicht nur den Terrorismus verurteilt, sondern zum Entsetzen vieler Politiker auch den Krieg gegen den Terrorismus. Eindrucksvoll und eindeutig sagte Johannes Paul II.: "Nie wieder Krieg. Nie wieder Terrorismus." Stattdessen Vertrauen, Gespräche, Gerechtigkeit, Frieden, Pazifismus pur - Bergpredigt ohne Wenn und Aber! Terror und Kriege gegen den Terror sind "eine Beleidigung Gottes", meinte der Papst; jede Gewalt erzeuge Gegengewalt. Der Schlüssel zum Frieden sei Gerechtigkeit. Auf viele Politiker wirkt der Appell aus Assisi eher störend, wenn nicht hilflos. Die Kerzen und Gebete in Assisi sind für Machtpolitiker allenfalls Folklore - es sei denn, sie brauchen Religionen in Wahlkämpfen zum Stimmenfang.

Vielfalt der Religionen

Unter uns leben Menschen aus vielen verschiedenen Religionen. Im Gegensatz zur westlichen Welt, welche die Zeit der Reformation, der Aufklärung und vieler Konzilien erlebt hat, prägt die traditionelle Religion die Welt der Menschen in den Ländern Lateinamerikas, Afrikas, Asiens und Ozeaniens auch heute noch sehr intensiv.
Die traditionellen nichtchristlichen Religionen gehörten und gehören zum Alltag der Menschen wie Essen und Trinken. Diese Religionen oder auch Mythen sind inkulturiert, das heißt: sie sind in der alltäglichen Denk- und Vorstellungswelt der Menschen eingepflanzt und gewinnen von daher ihre Impulse, sie sind vielfach sogar identisch mit dem Leben der Menschen in diesen Kontinenten.

Wir dürfen von der theologischen Grundvoraussetzung ausgehen, dass die Vielheit der Religionen nicht ein bedauerlicher "Unfall" in Gottes Schöpfung ist. Wie auch in der gesamten übrigen Schöpfung erst die Vielheit die Schönheit ermöglicht, so ist auch die Vielheit der Religionen der eigentliche Zugang zur Wahrheit im Heilsplan Gottes. In einer Kultur des Dialogs werden die Grenzen jeder geschichtlich bedingten Religion deutlicher. Gleichzeitig wird die verwandelnde Bewegung des Geistes spürbar, der weht, wo er will.
Erst im Dialog können die Gläubigen begreifen, dass Gott größer ist als alle Religionen, Schriften und Kulte. Dies sagt ja auch ein Grundwort der christlichen Theologie aus: "Deus semper maior". "Gott ist immer größer". Wichtig ist es in diesem Zusammenhang, sich die Mehrdimensionalität des Terminus "Dialog" vor Augen zu halten. Das wird nur durch den Beitrag aller Religionen möglich werden, und die christliche Religion hat dafür eine besondere Verantwortung.
Diese neue Herausforderung könnte lauten: "Qualitative Mission geschieht im Dialog. Ist er ernsthaft ein Dialog über die weltgeschichtlichen Probleme, dann führt er nicht zu unverbindlichen Dauergesprächen. Im Dialog verändern sich die Religionen, das Christentum eingeschlossen, so wie sich in persönlichen Gesprächen die Angesichter, Ansichten und Aussichten der Parteien verändern. Der Dialog der Weltreligionen ist ein Prozess, auf den man sich nur einlassen kann, wenn man sich in Offenheit verwundbar macht und aus ihm verändert hervorgeht. Man verliert seine Identität nicht, sondern gewinnt im Gegenüber zum Partner ein neues Profil. Aus den Dialogen werden die Weltreligionen mit neuem Profil hervorgehen. Es darf als Hoffnung der Christen ausgesprochen werden, dass es Profile sein werden, die dem leidenden Menschen und seiner Zukunft, dem Leben und dem Frieden zugewandt sind" (J. Moltmann, Kirche in der Kraft des Geistes, München 1975).

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Dialog und Frieden

Wir brauchen den Dialog: Schon um des Friedens willen! Wir sehen heute sehr klar:

  • Religionen haben immer zu Intoleranz, Hass und Krieg geführt;
  • und Religionen haben immer Toleranz, Mitmenschlichkeit und Frieden vorgelebt.

Beides belegen auch die bald 1400 Jahre der Beziehung Islam und Christentum, wiewohl das erste darin überwiegt. Wieviel Leid und Unheil wären den Menschen erspart geblieben, wenn Christentum und Islam ihre Verantwortung für Menschlichkeit, Gewaltlosigkeit, Versöhnung und Frieden früher erkannt und verwirklicht hätten.
Der Friede unter den Völkern hängt ja zu einem guten Teil vom Frieden unter den Religionen ab. Schon deswegen ist der Dialog unerlässlich, weil durch ihn die offenen und verborgenen Konfliktherde aufgedeckt und unschädlich gemacht werden.
Heute sehen wir diese Zusammenhänge viel schärfer.

Wir haben die Chance, das Misstrauen und alle Angst zwischen uns und den Muslimen, Buddhisten, Shintoisten zu verringern. Wir brauchen den Mut zum Dialog. Wir müssen glühende Kohlen sammeln: wir Christen müssen die Initiative ergreifen, weil die Muslime vorerst nur vereinzelt dazu in der Lage sind. Das Nahziel dieses Dialogs ist, in Treue zu den eigenen Glaubensüberzeugungen

  • offen miteinander zu sprechen,
  • Missverständnisse auszuräumen,
  • Gemeinsamkeiten zu entdecken,
  • Kernüberzeugungen von Randüberzeugungen zu trennen,
  • unnötige Engführungen und Verabsolutierungen bei sich und beim Partner aufzudecken

In einem Wort von Sebastian Painadath SJ: "Durch eine Kultur des Dialogs werden die tief in den Religionen sich entfaltenden konvergierenden Spuren der Spiritualität deutlicher wahrnehmbar. In einem gemeinsamen Einsatz mit anderen glaubenden Menschen für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung wird das befreiende Potential jeder Religion wirksam. Der religiöse Mensch der Zukunft wird ein interreligiöser Mensch sein: Tief verwurzelt in der Kernerfahrung des eigenen Glaubens versucht er, sich zu den anderen Religionen auszustrecken, um von ihnen bereichert zu werden. Letztlich geht es um das Heil, die ganzheitliche Befreiung des Menschen, darum, dem Geist Raum zu geben" (Katholische Missionen / Forum Weltkirche 1/2000).

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Franziskanische Aspekte des Dialogs

Ich denke, gerade im heutigen Weltkontext ist es noch einmal eine besondere franziskanische Herausforderung, die Spiritualität Jesu und unseres Bruders Franziskus zu leben. Die Franziskanische Familie kann nur dann glaubwürdig zum Dialog der Konfessionen, Religionen und Kulturen beitragen, wenn sie im Inneren mit sich selber im "Dialog" und fundamental versöhnt ist.
Der Dialog mit den Kulturen und Religionen erhält seine innere Kraft und franziskanische Note und Dynamik darüber hinaus aus der persönlichen und gemeinschaftlichen Begegnung mit dem Evangelium, aus der Eucharistie, aus der Fähigkeit, sich lokal und universal als eine Familie zu erfahren, in der sich alle ohne Vorbehalte begegnen und austauschen können (vgl. RegB 6), aus der aufmerksamen Lektüre der Zeichen der Zeit im Lichte des Evangeliums sowie auch in der Bereitschaft, die Geste der "Umarmung" des Fremden und Armen zu einer Lebenshaltung zu machen. In der Tat: Viele Menschen, nicht nur Christen, sehen in Franziskus den Prototyp eines "dialogischen Christen", der sich nicht selber zum Maßstab macht, sondern auf den einen Herrn und das freie Wirken seines Geistes verweist, der sich auch durch Konfessionen und andere Bewegungen in der Christenheit nicht einfangen und schon gar nicht manipulieren lässt. Wir brauchen heute in der "konfessionellen" Ökumene und im Dialog mit den anderen Religionen dringend Vorbilder und Haltungen, die ich bei dem Mann von Assisi sehe: Auf der einen Seite ein klares eigenes Profil, ja "Mut zum Profil", aber ohne Fundamentalismus und Rechthaberei; auf der anderen Seite eine bedingungslose Bereitschaft zur Begegnung, zum Abbau von Vorurteilen und Feindbildern. In allem aber eine große Bereitschaft, uns in dem, was uns verbindet, zu treffen und das Verbindende immer stärker werden zu lassen.

Reinhard Kellerhoff ofm

Franziskaner Mission, Nr.2/2002, S.3 f.
[email protected]

Literatur:
Obiger Bericht wurde mit Genehmigung des Franziskaner Ordens der Zeitschrift "Franziskaner Mission" (Nr.2/2002, S.3 f.) entnommen.

Bitte beachten Sie unseren Buchtipp:
Feuerwandler. Franziskus und der Islam. Autor: Jan Hoeberichts
Ein sehr schönes Buch zum gründlichen Verständnis des interreligiösen Gedankens bei Franziskus von Assisi




www-Links



Franziskaner.de
Franziskaner in Brasilien
"Mission heute" am Beispiel des Franziskus von Assisi
Islam

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