Migration nach Berlin

[Traditionslinien der Migration nach Berlin] [Ausländische Arbeitskräfte zwischen 1934 und 1945]
[Ausländische Arbeitskräfte ab 1961] [Entwicklungen]
[Literaturhinweise] [www-Links]




Die Traditionslinien der Migration nach Berlin reichen bis ins 17. und 18.Jahrhundert zurück. Im 17.Jahrhundert wurden durch Friedrich Wilhelm I., den »Großen Kurfürsten«, geziehlt Fremde in das vom Dreißigjährigen Krieg verwüstete und verödete Brandenburg-Preußen geholt - Franzosen und Juden, Holländer und Böhmen. 1671 räumte er fünfzig wohlhabenden jüdischen Familien, die aus Wien vertrieben worden waren, in seinen Territorien - gegen Schutzgeld - ein Niederlassungsrecht ein. Sieben Familien ließen sich in Berlin nieder. Auch etwa 12000 Hugenotten, französische Glaubensflüchtlinge, fanden in diesem Zeitraum (nach 1685) in Berlin eine neue Heimat. Die Einwohnerzahl stieg von 6000 auf 20.000 im Jahre 1688. Ein Zeitgenosse, Baron von Pöllnitz, schrieb über die Impulse, die von den Hugenotten ausgingen: »Wir haben ihnen unsere Manufakturen zu danken, und sie gaben uns die erste Idee vom Handel, den wir vorher nicht kannten. Berlin verdankt ihnen seine Polizei, einen Teil seiner gepflasterten Straßen und seine Wochenmärkte. Sie haben Überfluß und Wohlstand eingeführt und diese Stadt zu einer der schönsten Städte Europas gemacht. Durch sie kam der Geschmack an Künsten und Wissenschaften zu uns. Sie milderten unsere rauhen Sitten, sie setzten uns in den Stand, uns mit den aufgeklärtesten Nationen zu vergleichen, so daß, wenn unsere Väter ihnen Gutes erzeigt haben, wir dafür hinlänglich belohnt worden sind.«1
Letztendlich erfolgte auch die Industrialisierung des Königreichs Preußen im 19.Jahrhundert unter maßgeblicher Beteiligung ausländischer Arbeitskräfte, besonders von Polen aus dem russischen "Kongresspolen" bzw. Schlesien sowie Polen und Ruthenen aus dem österreichischen Galizien. Den fremden Arbeitern, seien es "Polacken" (Auslandspolen), "Makaronies" oder "Ostjuden" oder aber Kinder aus Tirol bzw. Voralberg, war für die Wintermonate ein "Rückkehrzwang" auferlegt worden. Auch die Trennung von Männer und Frauen in Arbeitskolonnen sowie die Zulassung von nur alleinstehenden Arbeitskräften ohne Familienverband waren typische Merkmale der Fremdenbeschäftigung.
Schon vor dem Ersten Weltkrieg wurden in Berlin "Facharbeiter" eingesetzt, so zum Beispiel türkische Arbeiter in der "Pera"-Zigarettenfabrik. Insgesamt kann gesagt werden, dass ausländische Arbeitskräfte unter dem Gesichtspunkt der Nützlichkeit für die eigene Wirtschaftsentwicklung eingesetzt wurden. Diese Tradition ist kennzeichnend für ganz Deutschland.
Mit der Größe der Stadt - 1871 hatte Berlin ca. 930.000 Einwohner, 1900 über 2,7 Millionen - wuchs auch der Ausländeranteil an der Bevölkerung, nach dem Ersten Weltkrieg beeinflusst von politischen Ereignissen wie der bolschewistischen Oktoberrevolution 1917, die unzählige Russen in die Emigration zwang. Etwa eine Million von ihnen kam nach Berlin.2
Nach der Verwaltungsreform 1920 hatte "Groß-Berlin" mit seinen 20 Bezirken im Jahre 1929 4,3 Millionen Einwohner und war damit nach New York und London die drittgrößte Stadt der Welt.
Begünstigt durch die Liberalität der parlamentarischen Demokratie entwickelte sich ein internationales, ja multikulturelles Ambiente, wobei der Beitrag der Juden wesentlich war.

Mit der enorm steigenden Arbeitslosigkeit Ende der 20er Jahre sank die Anzahl der Ausländer in der Weimarer Republik jedoch wieder rapide ab. Insbesondere nach der Weltwirtschaftskrise erreichte ihre Anzahl in Deutschland mit rund 100.000 den niedrigsten Stand.

nach oben

Ausländische Arbeitskräfte zwischen 1934 und 1945

Nach dem Regierungsantritt der Nationalsozialisten bestand ab etwa 1934 wachsender Arbeitskräftebedarf. Mit dem Abbau von Freizügigkeiten gegenüber der eigenen Arbeiterschaft wurden ausländischen Arbeitskräften nahezu sämtliche Rechte entzogen. Ausländische Arbeitskräfte wurden nun als Zwangsarbeiter v.a. nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs beschäftigt. Hierbei wurde zwischen "Westarbeitern" aus Frankreich, Belgien, Holland usw. und "Ostarbeitern" aus Polen oder Russland unterschieden. Während erstere als Angehörige von "Herrenvölkern" bessergestellt und in ihrer Freiheit weniger eingeschränkt waren, mussten die "rassisch minderwertigen slawischen Untermenschen" die völlige Entrechtung (ausschließlicher Aufenthalt im Arbeitslager, Nahrungsminimierung, Kennzeichnuung mit "P" für Polen und mit "Ost" für Ostarbeiter, ähnlich wie Juden mit dem gelben Stern usw.) hinnehmen.
Ohne die Zwangsarbeit von Millionen "Ostarbeitern" wäre die nationalsozialistische Kriegswirtschaft und damit die Kriegsführung selbst früher zusammengebrochen: Am Kriegsende befanden sich in Deutschland 6 Millionen zivile Zwangsarbeiter und 2 Millionen Kriegsgefangene im Arbeitsprozess.

nach oben

Ausländische Arbeitskräfte ab 1961

Nach der harten Stadttrennung in Berlin durch die Mauer 1961, wurden wieder einmal verstärkt Arbeitskräfte gebraucht und u.a. aus dem Ausland angeworben. In der Bundesrepublik einigte man sich zunächst auf den Begriff "Gastarbeiter". Familienzusammenführung war anfangs kein Thema. Je mehr sich jedoch eine Dauerhaftigkeit des Aufenthaltes ausländischer Arbeitskräfte abzeichnete, desto mehr wurden v.a. die aus den Hauptanwerberländern Türkei, Jugoslawien und Griechenland stammenden Ausländer mit ihren Familien zusammengeführt. Anfang der 70er Jahre, v.a. nach dem Anwerbestopp, entwickelte sich in der Bundesrepublik eine neue Diskussion über Integration: aus Gastarbeitern wurden "ausländische Mitbürger" ohne dass sie allerdings bürgerliche Rechte besaßen.

1989 lebten 280.000 Ausländer in West-Berlin, dies entsprach 13,3% der Bevölkerung, davon besaßen 44% die türkische Staatsangehörigkeit, 12% die jugoslawische, weitere 7% kamen aus Polen. Die Zuwanderer der 60er und 70er Jahre waren v.a. als Gastarbeiter gekommen, hatten inzwischen Anspruch auf einen unbefristeten Aufenthaltstitel und damit auch ihre in Deutschland geborenen Kinder. In Ost-Berlin war der Ausländeranteil zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung sehr gering. 1989 lag er bei 1,6%, es überwogen die Vertragsarbeitnehmer aus Vietnam, Polen, Angola, Mozambique und anderer sozialistischer "Bruderländer". Die Arbeitsverträge und damit der Aufenthaltsstatus waren fast immer zeitlich begrenzt. Die meisten Ausländer in der DDR lebten isoliert in Wohnheimen, ohne individuelle Wahlmöglichkeit von Arbeitsplatz, Wohnort oder Wohnung. Nach der Wende verloren viele ihre Arbeit und damit oft auch ihre Aufenthaltsgenehmigung.
Bis in die neunziger Jahre hatten sich die ersten Ausländergenerationen in zahlreichen Wirtschaftsbereichen etabliert. Türkische oder griechische Unternehmer oder Subunternehmer bedienen sich nun ihrerseits den aus Polen, Rumänien, Bulgarien und Russland einwandernden Menschen als "billige" Arbeitskräfte. Dennoch muss gesagt werden, dass die ausländischen Mitbürger insgesamt härter von der hohen Arbeitslosigkeit in der Stadt betroffen sind. Diese Situation hat sich heute durch die Krise der Berliner Industrie und den Strukturwandel noch verschärft.

nach oben

Entwicklungen

460.000 Ausländer aus mehr als 180 Ländern waren Ende 2009 in Berlin gemeldet. Mehr als 70% von ihnen sind Europäer, von denen wiederum rund 32% aus Staaten der EU kommen. Der Anteil der Ausländer an allen melderechtlich registrierten Einwohnern Berlins liegt bei 13,7 Prozent. www.statistik-berlin-brandenburg.de(pdf)

In Deutschland lebten im Jahr 2006 rund 15,3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund (= 18,6% der Gesamtbevölkerung; davon 7,3 Millionen, die als Ausländer gelten und 8 Millionen Menschen ausländischer Abstammung, die eingebürgert worden sind. Mehr Info: www.tagesschau.de: 15 Mio. Migranten leben in Deutschland)

Ständige Bevölkerungswanderungen haben die Bevölkerungszahl in Berlin von rund 3,4 (2011) auf über 3,5 Millionen (2013) anwachsen lassen. Der größte Teil der Migranten kommt aus EU-Staaten (insbesondere ab 2009). Von den rund 950.000 Menschen mit Migrationshintergrund (ca. 500.000 Ausländer, ca. 450.000 Deutsche mit Migrationshintergrund) leben in den Bezirken Mitte ca. 45%, Neukölln 39%, Kreuzberg-Friedrichshain 36%, Charlottenburg-Wilmersdorf 33% und Tempelhof-Schöneberg 31%.

Hans-Ulrich Jörges, STERN, 32/2008, S.46:
»[...] Die ungelöste Integration von Zuwanderern ist das gefährlichste soziale Problem in Deutschland. [...]
Zahlen beschreiben die Dramatik treffender als jedes Wort. [...]
Migranten in Deutschland: 15,3 Millionen;
Anteil der Migrantenfamilien: 27 Prozent;
Migrantenquote bei Kindern bis zwei Jahre: 34 Prozent;
Migranten ohne Berufsabschluss: 44 Prozent;
Migranten im Alter zwischen 22 und 24 Jahren ohne Berufsabschluss: 54 Prozent;
türkische Migranten ohne Berufsabschluss: 72 Prozent;
erwerbslose Migranten: 29 Prozent;
einkommensschwache Migranten: 43,9 Prozent;
Migranten in Armut: 28,2 Prozent;
Migrantenkinder in Armut: 36,2 Prozent;
türkische Migrantenkinder mit Misshandlungen und schweren Züchtigungen in den Familien: 44,5 Prozent;
Berliner Migrantenkinder mit Förderbedarf in deutscher Sprache: 54,4 Prozent;
Migrantenquote an der Eberhard-Klein-Schule, Berlin-Kreuzberg: 100 Prozent;
Migrantenanteil bei Jugendlichen mit über zehn Straftaten in Berlin: 79 Prozent. [...]«

Ausländeranteil an Schulen steigt
Laut eines Artikels in der taz.de vom 18.07.2005, betrage der Anteil von Schülern nichtdeutscher Herkunft an 38 Berliner Schulen mittlerweile über 80 Prozent.An neun Schulen liege der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund über 90 Prozent, bei weiteren 29 Bildungseinrichtungen bei über 80 Prozent. Der Durchschnittswert für alle Berliner Grundschulen lag 2005 bei 31,5 Prozent, mit steigender Tendenz. In den vergangenen fünf Jahren von 2000 bis 2005 sei die Zahl der Schüler insgesamt um 9,7 Prozent gefallen. Zugleich sei aber der Anteil von Schüler und Schülerinnen nichtdeutscher Herkunftssprache um 9,2 Prozent gestiegen.

Im Jahr 2007 haben 40 Prozent aller in Berlin lebenden Personen unter 18 Jahren einen Migrationshintergrund.

»[...] Die verschwiegenen Kosten der Zuwanderung

Vergessen Sie die horrenden Kosten der Wirtschaftskrise. Sie sind trotz der vielen Milliarden, die wir alle dafür bezahlen müssen, nichts im Vergleich zu jenen Beträgen, die wir für die Heuschrecken der Zuwanderungsindustrie ausgeben. Es ist politisch nicht korrekt, die Zahlen zu addieren. Denn Politiker und Medien sprechen bei Migranten aus der Türkei und anderen fernen Ländern gern von angeblicher "Bereicherung". Doch jetzt wird abgerechnet. Die Wahrheit lautet: Bestimmte Migrantengruppen kosten uns pro Jahr weitaus mehr als die Wirtschaftskrise. Über eine Billion (!) Euro haben Migranten allein in Deutschland bislang an Schäden in unseren Sozialsystemen verursacht. • Wussten Sie, dass schon mehr als 40 Prozent der Sozialhilfebezieher in Deutschland Ausländer sind und die von ihnen verursachten Kosten für die Steuerzahler pro Jahr (!) höher sind als die Kosten der Finanzkrise? • Wussten Sie, dass Migranten laut Armutsberichten immer ärmer werden und zugleich von Jahr zu Jahr mehr Milliarden ins Ausland schaffen? • Wissen Sie, wie viele türkische Hartz-IV-Empfänger Schwarzgeldkonten in Liechtenstein haben? • Wussten Sie, dass deutsche Sozialgerichte Sozialhilfebetrug bei Migranten inzwischen als »kulturelle Besonderheit« akzeptieren und mit dieser Begründung auf Rückforderung der betrügerisch abkassierten Summen verzichten? • Wussten Sie, dass wir seit Jahrzehnten Türken und Mitglieder von Balkan-Großfamilien, die noch nie in Europa gewesen sind, kostenlos und ohne einen Cent Zuzahlung in der gesetzlichen deutschen Krankenversicherung mitfinanzieren? [...]«
Zitat:  Kurzbeschreibung zum Buch "Kein Schwarz. kein Rot. kein Gold". Autor: Udo Ulfkotte, erschienen am 15. September 2010

www-Links



Toleranz
Kopftuchstreit
Islam - Muslime in Deutschland
 Islamismus in Deutschland
 Die ersten Araber in Berlin und der Mark Brandenburg
Migrationsrecht
Der Beauftragte des Senats von Berlin für Integration und Migration
Bundesausländerbeauftragte
Neue Zahlen zur Migration in Deutschland (2007)
8. Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer (Juli 2010)
Der deutsche Bevölkerungsaustausch - Daten und Fakten einer Katastrophe


Literatur zur Seite

1 Fischer, Gerhard: Die Hugenotten in Berlin, Berlin 1985, S.28; zur Geschichte der Zuwanderung nach Berlin vgl. Stefi JerschWenzel/Barbara John (Hrsg.) Von Zuwanderern zu Einheimischen. Hugenotten, Juden, Böhmen, Polen in Berlin, Berlin 1990.
2 Süß,Werner/Rytlewski,Ralf (Hrsg.): Berlin.Die Hauptstadt. Vergangenheit und Zukunft einer europäischen Metropole. Sonderauflage für die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Berlin, Bonn 1999, S.518f.

Weitere Literaturhinweise:

AMANN,RENATE/VEUMANN-COSEL,BARBARA VON (Hrsg.), Berlin. Eine Stadt im Zeichen der Migration, Darmstadt 1997.

FIJALKOWSKI,JÜRGEN/GILLMEISTER,HELMUT, Ausländervereine - ein Forschungsbericht: Über die Organisation von Eigenorganisationen für die Integration heterogener Zuwanderer in einer Aufnahmegesellschaft am Beispiel Berlins, Berlin 1997.

HÄUSSERMANN,HARTMUT/KAPPHAN,ANDREAS/MÜNZ,RAINER, Migration Berlin: Zuwanderung, gesellschaftliche Probleme, politische Ansätze, Berlin 1995.

JERSCH-WENZEL,STEFI/JOHN,BARBARA (Hrsg.), Von Zuwanderern zu Einheimischen. Hugenotten, Juden, Böhmen, Polen in Berlin, Berlin 1990.

Empfehlung:
Literatur von der türkischen Frauenrechtlerin Seyran Ates



nach oben