Djihad und Heiliger Krieg


Lexikon der Religion, Herder, Freiburg i.B. 1987, S. 124 (G. Riße).
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Der Djihad gehört zwar nicht zu den fünf Grundpfeilern des Islam, dennoch werden die Muslime im Koran nachhaltig dazu aufgefordert (Koran, Sure 9,41). Das Wort Djihad "bemühen, kämpfen, streben" begegnet in der islamischen Literatur oft mit, öfter aber ohne den Zusatz "für die Sache Gottes" (fi sabili ´llah) und ist fast immer durch die Formulierung "Kampf gegen Ungläubige" oder "Bekämpfung der Ungläubigen" korrekt wiedergegeben. Die Übersetzung "Heiliger Krieg" für Djihad aber trifft nicht den Inhalt des Wortes, da sie den Eindruck erweckt, als wäre Djihad ein bestimmtes räumlich und zeitlich begrenztes kriegerisches Unternehmen.

Es gibt zwar "heilige Kriege" aber keine "Djihads" - das Wort hat keinen Plural (A. Noth, 22f.). Für Krieg, Kampf und bewaffnete Auseinandersetzung kennt die arabische Sprache mehrere andere Wörter. Die Pflicht zum Djihad ist zunächst die Pflicht der Gemeinschaft als solche und nicht die des einzelnen, ein Dauerzustand, der erst dann sein Ende gefunden hat, wenn die Welt zum Gebiet des Islam oder des Friedens (= dar al-islam) geworden ist, d.h. wenn alle Menschen den Glauben an Gott angenommen haben und bezeugen, dass Muhammad sein Gesandter ist. Dem Haus des Friedens wird nach islamischer Lehre das Gebiet des Krieges (= dar al-harb), d.h. das Gebiet, das noch nicht Islamgebiet ist, entgegengesetzt.

Die Aufgabe des Djihad ist nun die Umwandlung des dar al-harb zum dar al-islam, dies aber nicht ausschließlich zur Ausdehnung des islamischen Imperiums, sondern zur Ausbreitung und Erhöhung des Wortes Gottes. Hier wird die missionsbezogene Seite des Djihad sichtbar. Für einen direkten Missionsauftrag, wie ihn das Christentum kennt (Mt 28, 19f.), findet sich im Koran keine Parallele. Gegen einige fundamentalistische und traditionalistische Gruppierungen, die auch heute noch die Anwendung von Gewalt in der Missionspraxis bejahen, betont jedoch die Mehrheit der Rechtsgelehrten und Schulen die friedliche Seite des Djihads (vgl. Koran 16, 125) und drückt dies durch die Termini Djihad al-lisan oder Djihad al-kalam, d.h. Bemühung mit der Zunge oder der Schreibfeder, aus.

Neben der allgemeinen und missionsbezogenen Seite ist das dritte innere Wesensmoment des Djihad, dass jeder Muslim Djihad machen kann, indem er sich bemüht, Gott gegenüber den geschuldeten Gehorsam zu leisten, seine Gebote beachtet und befolgt und Caritas übt.
Als ein wichtiger Bestandteil der Rechtgläubigkeit ist der Djihad für jeden Muslim eine Pflicht, für deren Erfüllung er mit der Vergebung der Sünden und dem Eintritt in das Paradies belohnt wird (47, 4-6).

Literatur: A. Noth, Heiliger Krieg und Heiliger Kampf in Islam und Christentum. Bonn 1966; R. Peters, Jihad in Medieval and Modern Islam. Leiden 1977; E. Tyan, Art. DJIHAD: El² II 538-540.

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Weitere Betrachtungen

nach Prof. Dr. Dr. Carsten Colpe (*1929; † 24. November 2009): "Der Heilige Krieg". Anton Hain, Hanstein 1994, S.58 ff.

Am 24. November 2009 verstarb Carsten Colpe in Berlin. Von 1991 bis 1996 habe ich bei ihm Religionsgeschichte und Evangelische Theologie studiert und Ende 1996 das Examen bei ihm abgelegt. Neben den wunderbaren Jahren des Studiums, durfte ich Carsten Colpe auch privat kennen lernen. Ich habe ihn als Lehrer und Mensch sehr geschätzt. Eine der glücklichsten Zeiten meines Lebens, intellektuell wie menschlich, habe ich auch ihm zu verdanken.
Rainer Kurka

 Literatur von Prof. Dr. phil. Dr. theol. Carsten Colpe
Mehr zu Carsten Colpe: de.wikipedia.org

Um den Begriff des "Djihad" richtig auszulegen muss man zwischen dem koranischen Befund und dem klassischen islamische Völkerrecht unterscheiden. Bereits das letztere hat Mühe mit der Divergenz, ja Widersprüchlichkeit der Aussagen des Koran, und auch historisch-kritische Forschung kann sie nur zum Teil erklären. Jedenfalls hat Mohammeds Stellung zu Krieg und Frieden in seiner Entwicklung vom gottgetriebenen Einzelgänger in Mekka bis zum Leiter eines theokratischen Gemeinwesens in Medina mehrere Entwicklungsstufen durchgemacht. In Mekka handelt es sich noch um Geduld gegen Angriffe, in Medina bereits um das Recht, Angriffe zurückzuweisen. Der Sieg über die feindlichen Mekkaner lässt den Propheten zwar immer noch von Ungläubigen als von Treulosen oder Bedrohenden reden, doch kündigt sich ein innerer Umschlag in eine ständige Haltung auch nichtprovozierten Kampfes gegen eine ungläubige Welt bereits an. Aber erst die spätere historische Tradition und das Gesetz können sich - sie tun es durchaus nicht immer - klar in diesem Sinne aussprechen.

Innerhalb dieser Entwicklung passt für Djihad immer die Grundbedeutung "Sich-Abmühen". Wo es - erst seit den medinensischen Suren - speziell "Krieg" bedeutet, lässt sich nur unter Heranziehung von Aussagen sichern, welche es zusätzlich eindeutig machen, sichern, dass an eine bewaffnete Auseinandersetzung gedacht ist. An solchen Aussagen ist nun zwar kein Mangel, doch ist zu beachten, dass vor Übertreibung gewarnt wird, dass die Gegner nicht einfach dadurch definiert werden, dass sie Heiden sind, sondern dadurch, dass sie gegen den Islam kämpfen. Zum Beispiel:

"Und kämpft auf Gottes Wege gegen diejenigen, die gegen euch kämpfen! Aber begeht keine Übertretung (indem ihr den Kampf auf unrechtmäßige Weise führt)! Gott liebt die nicht, die Übertretungen begehen. Und tötet sie, wo immer ihr sie zu fassen bekommt, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben." (Sure 2, 190f.).

An vielen Stellen wird (wie in Sure 2,217) gesagt, dass Töten nicht so schlimm sei wie der von Gegnern unternommene Versuch, Gläubige zum Abfall vom Islam zu verführen. Dementsprechend wird zum Kämpfen und Töten aufgerufen; aber selbst in solchen Zusammenhängen macht es einen Unterschied, ob man die Verbform djahadu, welche in Relativsätzen die vom Propheten gemeinten Gläubigen näher bestimmt, mit "(die um Gottes willen) Krieg geführt haben" oder "sich abgemüht haben" übersetzt.
Die Pflicht zum Djihad ist integrierender Bestandteil des Glaubens an Allah. Diese Pflicht besteht, solange es auf der Welt noch Ungläubige gibt. Je nach Lage kann der Djihad dabei, auch in der späteren Tradition, verschiedene Formen annehmen.
Diese gehen von der Internalisierung zum Djihad an-nafs, d.h. Kampf gegen (böse Neigungen in) sich selbst, oder zum Djihad as-saitan, dem Kampf gegen (die Verführung trügerischer Lüste durch) den Satan, über friedliche Mission bis zur bewaffneten Auseinandersetzung. In der letzteren wird jedenfalls im Koran der Einsatz von Waffen sehr zurückhaltend beurteilt; der Kampf darf nur dauern, bis es keine Versuchung mehr gibt, was wohl heißen soll: bis keine Verfolgung und kein Angriff seitens Ungläubiger mehr die Muslime zum Abfall nötigt; danach bleibt es Gott überlassen, das Tun der Ungläubigen zu durchschauen und die Gläubigen zu beschützen (Sure 8,39f.). Der bewaffnete Djihad dient der Sicherung des islamischen Bestandes, nicht der Einprügelung von Glauben; denn "in der Religion gibt es keinen Zwang" (Sure 2,256). Die Voraussetzungen, unter denen ein Friede als beständiger Normalzustand oder ein bestehendes Rechtsverhältnis für beendet erklärt wird und damit Djihad geschehen darf, sind in Sure 9 ziemlich genau geregelt.




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