"Mission heute"

am Beispiel des Franziskus von Assisi (1182-1226)

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Franz von Assisi

Der Begriff "Mission" ist heute vielfach belastet. Ein Blick in die Geschichte der Mission macht das durchaus verständlich. Über Jahrhunderte hin vollzog sich die christliche Mission im Kontext des westlichen Imperialismus. Kolonialismus und Mission waren enge Weggefährten - zwar nicht, was Motivation und Absicht betreffen, aber doch in ihrer Wirkungsgeschichte. Den Eroberern folgten die Missionare auf dem Fuße, und ihr Einfluss ging selten über die Reichweite der Schutzmächte hinaus. Das hat die Mission in gefährliche Nähe zu den Kolonialinteressen gerückt. Verstärkt wurde dieser Eindruck durch die enge Symbiose von europäischer Kirche und westlicher Zivilisation. Man hat dabei nicht genügend unterschieden zwischen der frohen Botschaft des Evangeliums und der Ausdrucksform, die diese Botschaft in Europa gefunden hat. Mit dem Evangelium wurde deshalb immer auch europäische Christenheit importiert, und in den Kirchen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas wurde mit dem Evangelium auch die in Europa und Nordamerika gewachsene Zivilisation übergestülpt. Dass "Mission" etwas ganz anderes meint, hat eigentlich erst das II. Vatikanische Konzil wieder ins Bewusstsein gerückt.

Mission heute - warum eigentlich noch ?
Seit dem Konzil wissen wir auch, dass Mission nicht länger eine Sonderaufgabe der Missionsorden ist, sondern Aufgabe und Pflicht der ganzen Kirche. Die pilgernde Kirche ist ihrem Wesen nach missionarisch (Ad Gentes, Nr.2). Deshalb ist Mission eine Grundpflicht des Gottesvolkes (AG 35). Die Missionsorden mussten ihre Rolle in der Mission der Kirche grundlegend überdenken. Der Impuls, dass es ganz und gar auf sie ankommt, ob das Evangelium zu den Menschen gelangt, die von Christus noch nichts gehört hatten, trägt nicht mehr.
Auch das Verständnis von Mission hat sich entscheidend verändert. Die Erklärung über die Heilsmöglichkeit in nichtchristlichen Religionen weitet den Heilshorizont. Mission, das hat nicht nur und nicht in erster Linie mit dem Himmel zu tun. Und Mission, das meint auch nicht, dass die Kirche der einzige Zugang zum Heil der Menschen ist. Seit dem Konzil wissen wir wieder, dass Gott viele Wege kennt, um sich den Menschen zu offenbaren und deren Antwort zu suchen. Heil also auch in anderen Religionen. Was wäre das auch für ein Gott, wenn er nicht allen Menschen die gleiche Heilschance gäbe?
(...) Warum dann noch Mission? Wir brauchen eine neue Missionsbegründung. Mission nicht, um Menschen für den Himmel zu retten, sondern Mission im Sinne der Reich-Gottes-Idee, d.h. um die Verheißung Gottes von einem Reich des Friedens, der Gerechtigkeit und Liebe spürbar zu machen. Die Menschen in den Elendsvierteln der Metropolen und am Rande der Gesellschaft müssen leibhaft erfahren können, dass Gott sie liebt. Da genügt wahrlich nicht, ihnen das Evangelium zu predigen oder sie gar auf den Himmel zu vertrösten. Der Gott der Bibel hat sich immer offenbart als ein Gott des Lebens. Er will, dass die Menschen leben können ohne Hunger, ohne Elend, ohne der völligen Hoffnungslosigkeit ausgeliefert zu sein. Das ist die befreiende Botschaft des Evangeliums. Sie verheißt Befreiung aus allen Unheilserfahrungen, Befreiung von Elend und Not, von Sünde und Tod. Um diesen göttlichen Traum am Leben zu halten und den Menschen erfahrbar zu machen, dafür brauchen wir Mission, heute mehr denn je.

Um des Himmelreiches willen
Das klingt vielleicht anders, als wir es im Ohr haben. Doch wenn wir bei Jesus in die Schule gehen, können wir erahnen, worum es geht. Als er seiinen Jüngern klar machen wollte, wie sie seine Botschaft den Menschen nahe bringen sollen, hält er ihnen keinen langen Vortrag, er zeigt es an einem praktischen Beispiel. Die Leute waren ihm in Scharen gefolgt. Als er die vielen Leute sah, hatte er Mitleid, denn sie waren müde und erschöpft, wie es im Evangelium heißt. Sie waren Jesus gefolgt, weil er ihre Erwartungen und Hoffnungen geweckt und ihre Sehnsucht nach Befreiung aus ihren Alltagsnöten angesprochen hatte. Nun sollten die zwölf Jünger zeigen, was sie verstanden hatten. Er schickte sie zu den Menschen, um sie aufzurichten und zu trösten. "Geht und verkündet, das Himmelreich ist nahe! Nicht nur mit Worten, zeigt, was das bedeutet. Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus." Also kein billiges Mitleid nach dem Motto: Kopf hoch, es wird schon wieder werden, sondern ein wirkliches Ernstnehmen der Sorgen und Probleme der Menschen. Das ist der Kern der Botschaft Jesu. Er verkündet einen Gott, der die Leiden und Unheilserfahrungen der Menschen ernst nimmt; einen Gott, der mitleidet und befreit; einen Gott, der nicht Lasten auferlegt und auf den Himmel vertröstet. Schon hier auf Erden sollen sie teilhaben am kommenden Himmelreich, sollen sie erfahren und erleben, dass Gott sie liebt.

Das Himmelreich, es wächst wie ein Senfkorn
Das Gleichnis vom Senfkorn lässt uns erahnen, wie Gott diese Heils- und Liebesgeschichte mit den Menschen gedacht hat und wahrmachen will. Sein Reich kommt nicht mit Getöse und Macht, nicht mit Glanz und Gloria, es kommt ganz sanft und unmerklich. Es kommt in den kleinen Dingen. Wie ein unscheinbares Senfkorn ist es unter uns und wächst und breitet sich aus. Es ist wie ein Sauerteig, der die Gesellschaft durchdringt und am Leben erhält. Das ist Trost und Ermutigung zugleich. Die Kirche braucht keine machtvolle und einflussreiche Organisation zu sein. Unsere Gemeinden brauchen nicht die beherrschenden Größen in einer Stadt, in einem Stadtviertel zu sein. Das Himmelreich ist da und wächst - durch jede kleine Geste der Liebe und Solidarität mit den Armen. Und niemand kann uns verwehren, dass wir Baumeister des Himmelreiches werden, wenn wir den Menschen in ihren Elendserfahrungen die Hand reichen, wenn wir großzügig und vertrauend teilen mit den Armen, wenn wir den Kirchen des Südens beistehen in ihrem prophetischen Einsatz für mehr Gerechtigkeit und Leben.
Und noch etwas zeigt uns das Gleichnis vom kleinen Senfkorn und vom Sauerteig. Kirche braucht nicht Volkskirche zu sein, um ihre Sendung zu erfüllen. Sie braucht nicht überall und bei allen präsent zu sein, um Gottes Traum am Leben zu erhalten. Das Himmelreich wächst auch durch die wenigen, die im Evangelium Kraft und Leben schöpfen. Es wächst und gedeiht auch außerhalb der verfassten Kirche, wo immer Menschen auf der Suche sind nach Sinn und nach Werten. Entgegen der landläufigen Erfahrung, dass die Kirchen immer leerer werden, wird ein anderes Phänomen erkennbar. Die Sehnsucht nach Religion und Sinngebung bricht wieder auf. Also lassen wir uns nicht entmutigen durch halbleere Kirchen, sondern seien wir froh und dankbar für die halbvollen Kirchen, die doch zeigen, dass dieser Traum vom Himmelreich noch vielen Menschen etwas bedeutet. Halten wir diesen Traum am Leben. Das ist Teilhabe an der Sendung Jesu, an der Mission der Kirche, hier oder in Afrika oder wo auch immer.

...leben ist wichtiger als reden
Es braucht keine große Phantasie, um zu erahnen, worauf es ankommt. Nicht mit Worten, nur mit unserem Sein werden wir die Menschen überzeugen. Es ist unsere Aufgabe, die Utopie des Gottesreiches modellhaft vorzuleben. Sonst wird die Botschaft des Evangeliums allzu schnell zur naiven Träumerei. Mitten unter den Menschen sollen wir durch unser Leben von einem Gott künden, der für die Armen Partei ergreift. Unser Grundauftrag ist - besonders im heutigen Weltmaßstab - die unerschrockene und vom langen Atem der Hoffnung getragene Weitergabe der Verheißung von Gottes Liebe und Befreiung für alle Armen und alle in einer strukturell ungerechten Welt arm gemachten Menschen. Menschen sind für die Kirche nicht Objekte pastoraler oder sozialer Assistenz, sondern Subjekte ihrer eigenen Befreiung (H.Schalück, in: Bleibendes Erbe - neue Herausforderungen. Zur Frage der Identität des Ordenslebens in Europa, Ordensnachrichten 1996/Heft 1, S.42). Diesen Menschen müssen wir nahe sein, in liebevoller Aufmerksamkeit und mit geschwisterlicher Zuneigung.

Es geht darum, den in die Niederungen menschlicher Armseligkeit herabgestiegenen Gott zu bezeugen, durch unser Leben. Nur dann werden die Leute voller Staunen fragen: Warum tut ihr das? Woher nehmt ihr eure Zuversicht und Freude, eure Ruhe und Gelassenheit, den Mut zum prophetischen Zeugnis und die Kraft zu einem alternativen Lebensstil? Denn das alles ist gefragt, wenn es darum geht, die Idee des Reiches Gottes zum Leben zu bringen, in der Politik, in der Gesellschaft, in der Kirche. Das alles gehört zum Missionsauftrag heute. Besonders die Armen brauchen uns, sonst erhalten sie keine Chance zum Leben, und die ganze Schöpfung braucht uns, sonst wird sich die Umweltzerstörung nicht zum Besseren wenden.
Und denen, die danach fragen, warum wir das tun, sollen wir - so ist uns franziskanischen Menschen aufgetragen - einfach antworten: Weil wir Christen sind. In einem solchen Lebenszeugnis erfahren und erleben wir die Einbindung des Menschen in die Heilsgeschichte Gottes. Das ist der eigentliche Auftrag, den wir als Christen in Kirche und Gesellschaft zu leisten haben.

...an Franziskus Maß nehmen
Franz von Assisi gilt allgemein als der Erneuerer und Retter der Kirche im ausgehenden Mittelalter. Und das als Laie, ohne theologische Ausbildung und ohne besonderes Mandat. Für seinen radikalen Weg in den Fußspuren des Jesus von Nazareth hatte er keine kirchliche Beauftragung. Die Aussätzigen waren es, die ihm die Augen öffneten. Das war ihm so wichtig, dass er sich am Ende seines Lebens, als er sein Testament diktierte, zuerst daran erinnerte. All seinen Nachfolgern wollte er in Erinnerung bringen, dass damit alles begann: sein Standortwechsel aus dem reichen Assisi an den Rand der Stadt, sein neues Leben auf der Seite der Armen als konsequente Nachfolge des armen Jesus von Nazareth. Das war für ihn der Schlüssel zum Verständnis des Evangeliums, die alles entscheidende Erinnerung an den Gekreuzigten. Fortan wollte er nichts anderes als ihm begegnen und nahe zu sein - im leidenden Bruder und in der leidenden Schwester.
Er gründete keinen Priesterorden zur Erneuerung der Kirche und kein Seminar zur Ausbildung von Missionaren. Die Brüder, die ihm folgten, sind ihm einfach nachgelaufen. So wie er wollten sie das Evangelium leben, ob Priester oder Laien, in einer armen Brudergemeinschaft, alle mit den gleichen Rechten und alle mit dem gleichen Auftrag, nämlich der ganzen Welt das Evangelium vom gütigen, demütigen und menschenfreundlichen Gott zu bringen. Wie ernst ihm das war, zeigen seine Anweisungen an die Brüder, die in die Mission gehen wollten. Sie sollten unter den Menschen dort (den Sarazenen) einfach leben, ihnen untertan sein, nicht streiten und dadurch zeigen, dass sie Christen sind. Das war Franziskus wichtiger als das Predigen. Und das ist mehr als erstaunlich in einer Zeit, in der nach allgemeiner theologischer Überzeugung Bekehrung und Taufe über Rettung und Verwerfung, über Heil und Unheil entschieden. Prdigen sollen die Brüder nur, so schärft es ihnen Franziskus ein, wenn sie sehen, "dass es Gott gefällt". Er will damit sagen: die Prediger müssen auf ein Zeichen Gottes warten, bevor sie mit dem Predigen beginnen können. Sie sollen ja nicht Besitzer des Wortes sein, sondern zuerst hören und herausfinden, wann es Gott gefällt. Denn auch Predigen kann zur Unzeit geschehen und mehr verwirren, als zum Heile dienen.

...und mit welchem Mandat?
Wer kann einem solchen Anspruch gerecht werden? Oder anders gefragt: Wen meint Franziskus und mit welcher Autorität spricht er? Franziskus beruft sich immer auf seine innere Stimme, die ihm Gewissheit gibt: "Gott selbst hat mir offenbart..." Das gilt für seine Berufung, das gilt aber sicherlich auch für seine Missionsidee, die für das damalige theologische Denken ganz ungewöhnlich war.
Was damals war und was für Franziskus galt, gilt auch heute noch. Die bloße Beauftragung durch Weihe und Sendung reicht nicht aus für einen Boten der Frohbotschaft. Wer nicht innerlich glüht, kann die Welt nicht entzünden. Wer Gottes Stimme nicht in sich spürt, wird schwerlich fähig sein, ihn unter den Menschen zu bezeugen. Nach Franziskus Meinung gilt das für Priester und Laien, für Männer und Frauen. Sie alle sind berufen und beauftragt, das Evangelium zu bezeugen. Nur wenn wir das beherzigen und geschwisterlich miteinander umgehen, überzeugt das Evangelium. Und Laien sind dann keine Lückenbüßer, sondern einfach Schwestern und Brüder, denen die gleiche Sorge für das Reich Gottes anvertraut ist.
Bleibt noch die Frage nach dem kirchlichen Amt. Franziskus hat seine innere Stimme immer bestätigen lassen durch den heiligen Stuhl und sich so vergewissert, dass sie der Wille Gottes ist. Das gilt für jeden, der Gottes Reich bezeugen will. Es ist Gott, der beruft und der sendet. Aber er lässt Berufung und Sendung bestätigen durch sein Heilszeichen auf Erden, die Kirche. Also wird es immer darauf ankommen, dass die Kirche selbst zu einer Herzenssache wird. Das gilt auch dann, wenn wir an ihr leiden. Sie ist nicht das Reich Gottes, sondern nur das Sakrament für seine Vermittlung. Sie ist Menschen anvertraut, also auch menschlich und sündig. Und doch dürfen wir die Gewissheit haben, dass wir uns auf Gottes Zusage verlassen können.

Literatur

Der obige Bericht wurde mit Genehmigung des Franziskaner Ordens der Zeitschrift Franziskaner Mission entnommen (2/2001, S.3ff., Andreas Müller ofm).

Bitte beachten Sie unseren Buchtipp:
Feuerwandler. Franziskus und der Islam. Autor: Jan Hoeberichts
Ein sehr schönes Buch zum gründlichen Verständnis des interreligiösen Gedankens bei Franziskus von Assisi




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